Dirk Lotze - Journalist
Stadt will Baurecht für Wuppertaler Moschee bis 2024 schaffen - Autonomes Zentrum soll weichen

Stadt will Baurecht für Wuppertaler Moschee bis 2024 schaffen - Autonomes Zentrum soll weichen

Die Wuppertaler Zentralmoschee an der Gathe. Foto: Dirk Lotze, Oktober 2018

Die Wuppertaler Stadtverwaltung soll für das Moschee-Bauvorhaben des türkisch-islamischen Moscheevereins bis 2024 verbindlich Baurecht schaffen. Das hat der Stadtrat in einem Zielbeschluss mit breiter Mehrheit festgelegt. Die städtische Fachabteilung soll einen Bebauungsplan anhand eines Aufstellungsbeschlusses aus dem Jahr 2013 ausarbeiten. Den hatte die Stadtpolitik für das Grundstück zwischen Ludwigstraße, Gathe und Markomannenstraße gefasst. Er sollte das Viertel aufwerten und gilt seit zehn Jahren, wurde aber nicht umgesetzt. Die Baupläne der Gemeinde beziehen das Grundstück des Autonomen Zentrums mit ein. Einen Ersatz-Standort dafür benennt die Stadtverwaltung nicht - sie suche einen. Den Moschee-Neubau soll die Gemeinde unabhängig von diesem Punkt angehen können.

Die Türkische Islamische Gemeinde und das Autonome Zentrum als linksgerichteter Ort sind Ziele von Anfeindungen. Türken- und islamfeindliche und politisch rechte Kreise wollen die Einrichtungen nicht in Wuppertal haben. In der Vergangenheit kam es zu Angriffen. Die Gemeinde befindet sich unter dem Dach der Organisation Ditib. Die steht unter Kritik - auch aus dem Autonomen Zentrum - weil sie unter staatlicher, türkischer Aufsicht arbeitet. Das AZ gehört der Stadt und wird seit 1995 von Nutzenden verwaltet - als Treffpunkt, für Vorträge und Konzerte.

Beschluss des Rats vom 6. März 2023
Sitzungsvorlage VO 1658/23 - Moschee an der Gathe, Zielbeschluss - mehrheitlich beschlossen
gleichzeitig beschlossen: Vorgaben für das Planvorhaben - gemeinsamer Ergänzungsantrag von CDU, SPD und FDP, Sitzungsvorlage VO/0017/23
jeweils mit Stimmen von SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP. Zwei Gegenstimmen aus der SPD-Fraktion, einige Enthaltungen von SPD- und CDU-Ratsmitgliedern.

Die Bezirksvertretung Elberfeld hatte in ihrer Sitzung vom 8. Februar 2023 den Zielbeschluss mit beratender Stimme abgelehnt. Dafür waren nur drei Mandatstragende der SPD.

Gegen den Zielbeschluss des Rats hat die Wuppertaler Ratsgruppe Die PARTEI ein Bürgerbegehren eingereicht (nach §26 Gemeindeordnung). Mitglieder sind die Stadtverordneten Jens Petersen und Julia Wiedow. Sie waren in der Ratsabstimmung unterlegen. Die Ratsgruppe ist zugleich Herausgeberin einer Webseite zum Bürgerbegehren unter der Adresse nachbarschaft-gathe.de. Seit 10. April 2023 sammeln Unterstützende Unterschriften. Zur Abstimmung soll als Frage an die Bürgerinnen und Bürger gestellt werden:

"Soll der Beschluss des Rates der Stadt Wuppertal vom 6.3.2023 zum Tagesordnungspunkt 9.2 in den Nummern Nr. 1 und Nr. 4, die folgenden Wortlaut haben:
Nr. 1: 'Der Rat legt den Standort an der Gathe zwischen Markomannen Straße und Ludwigstr. für den Bau einer Moschee für die türkisch islamische Gemeinde fest.'
Nr. 4: 'Die Verwaltung wird beauftragt, die städtebaulichen Anforderungen an den Bau der Moschee sowie erforderliche Umsetzungserfordernisse in einem städtebaulichen Vertrag zusammen mit der türkisch islamischen Gemeinde rechtsverbindlich festzulegen', aufgehoben werden?"

Das Begehren wird von Personen aus dem Umfeld des Autonomen Zentrums mitgetragen. Es bezieht sich aber nicht auf dieses, sondern richtet sich gegen die Moschee und die türkisch-islamische Gemeinde als Mitglied im Verband Ditib. Zur Unterstützung braucht der Antrag gültige 10.630 Unterschriften bis zum 10. Juni 2023. Den Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan für Moschee und Gemeindezentrum kann er aus rechtlichen Gründen nicht angreifen. Die PARTEI erzielte in der Kommunalwahl 2020 stadtweit 3346 Stimmen.

Positionen

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Klaus Jürgen Reese stellte klar, die Gläubigen der Gemeinde lebten seit zwei, viele seit drei Generationen in Wuppertal; sie besuchten die bestehende Moschee an der Gathe. Er fügte hinzu: "Das muss man mir erklären, was der Unterschied ist, ob die Moschee auf der rechten oder der linken Seite der Straße steht."

Für die CDU sagte Stadtratsmitglied Dr. Rolf Jürgen Köster: "50.000 bis 60.000 Menschen islamischen Glaubens, die in unserer Stadt leben, gehören zu Wuppertal." Mit Blick auf den Moschee-Verein erläuterte er: "Wir wollen die Kräfte stärken, die für Transparenz stehen." Darüber hinaus erwarte seine Partei, dass sich die Verwaltung endlich um einen Ausweichstandort bemühe.

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wies Ratsmitglied Sascha Schäfner den Ergänzungsantrag der Mehrheitsfraktionen als "Forderungskatalog" zurück und fragte: "Würden wir den anderen Gemeinden und Glaubensgemeinschaften so gegenüber treten?" Er griff den Titel einer Veröffentlichung auf und formulierte: "Wenn es 'Gathe für alle' heißt, dann heißt das auch: Gathe für die muslimische Gemeinde."

Die Ratsfraktion Die Linke lehnt das städtische Vorgehen ab. Sie konnte sich nicht durchsetzen mit dem Antrag, die Abstimmung zu vertagen. Fraktionsvorsitzender Gerd-Peter Zielezinski hatte bereits vor der Sitzung die Verwaltung aufgefordert, eine Liste mit möglichen Ersatz-Standorten für das Autonome Zentrum vorzulegen. (Njuuz.de: Aus für das Autonome Zentrum?)

Stimmen aus der Stadtgesellschaft

Das vom Verein Utopiastadt getragene Forum Quartier:Mirke spricht sich in einem Internet-Beitrag für den Erhalt des Autonomen Zentrums an seinem Standort aus. Der Text stellt Funktionen des selbstverwalteten Zentrums als Teil der Wuppertaler Stadtgeschichte dar und stützt sich auf Stimmen von Nutzenden vor Ort. (Quartier:Mirke - AZ GATHE BLEIBT / Warum das Autonome Zentrum Teil unseres Quartiers bleiben muss, 27. Februar 2023)

Der Erwerbslosen- und Sozialhilfeverein Tacheles kritisiert die Pläne grundsätzlich und veröffentlichte mehrere Statements. Drehpunkte sind Vorbehalte gegen den Bauherrn vor dem Hintergrund der Ditib und die Verdrängung des Autonomen Zentrums. Der Zielbeschluss des Stadtrats sei politisch falsch und fatal. Tacheles unterstellt in einem Newsletter, die Entscheidung sei "naiv" oder "verlogen" oder es sei "im Hintergrund Einfluss ausgeübt" worden. Der Verein fordert die Stadtverwaltung auf, mit den Autonomen in einen Diskurs zu gehen und sich auf eine Lösungssuche für das Autonome Zentrum zu begeben. (Tacheles e. V.: Gegen das DITIB-Zentrum an der Gathe und für die Unterstützung des Erhalts des Autonomen Zentrums)

Personen aus dem Umfeld des Autonomen Zentrums demonstrierten mehrfach unter dem Motto "AZ Gathe bleibt!". Das Autonome Zentrum kündigte für das Frühjahr Veranstaltungen zu seinem 50-jährigen Bestehen an.

Der Ratssitzungs-Beitrag von Sascha Schäfner (Bündnis 90/Die Grünen) löste eine intensive Internet-Debatte aus: Er habe die Kritik an der Ditib und ihrem Einfluss auf die Gemeinde verfehlt. Auf Facebook beteiligten sich gut zehn Personen, weitere äußerten sich auf Instagram.

Hintergrund

Autonomes Zentrum: Ein Klischee wird zum Feindbild (April 2018)

Landkarte

Das Grundstück des geplanten Gemeindezentrums auf der anklick- und zoombaren Landkarte der Flächenentwicklung in Wuppertal - Solingen - Remscheid: https://umap.openstreetmap.de/de/map/flachenentwicklung-wuppertal-solingen-remscheid_17608#17/51.26338/7.14643 Flächenentwicklung: Wuppertal - Solingen - Remscheid

Stand 10. April 2023. Erstmals veröffentlicht 8. Februar 2023.

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Zuletzt geändert am 14. April 2023