Dirk Lotze - Journalist
SEK-Polizist erschießt Verdächtigen bei Festnahme

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SEK-Polizist erschießt Verdächtigen bei Festnahme

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Kriminaltechnik am Einsatzort an der Opphofer Straße. Foto: Claudia Otte

Am Mittag des 9. Februar 2018 starb ein 43 Jahre alter Beschuldigter aus Wuppertal in seiner Wohnung am Ostersbaum in Elberfeld, als Spezialkräfte der Polizei ihn festnehmen wollten. Ein Beamter hatte auf ihn geschossen. Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen fahrlässiger Tötung. Sie stellte das Verfahren am 14. Januar 2019 ohne Anklage ein.

Was wir wissen

Gegründet auf Meldungen der Polizei vom Tag des Geschehens, beziehungsweise bestätigt durch die Staatsanwaltschaft Wuppertal und aufgrund der Abschlussmitteilung steht fest:

  • Am Freitag, 9. Februar 2018, gegen 12.15 Uhr versuchten Beamte des Spezialeinsatzkommandos (SEK) Düsseldorf eine Festnahme. Der Einsatz ereignete sich in einer Hinterhaus-Wohnung an der Opphofer Straße, am Ostersbaum in Wuppertal-Elberfeld. Dort sollte sich ein Beschuldigter aufhalten, der spätere Getötete. Laut Staatsanwaltschaft lagen bei der Aktion Haftbefehl und Durchsuchungsbeschluss vor.
  • Dieser Mann aus Wuppertal war 43 Jahre alt, Familienvater und Türke. Er hinterließ Frau und minderjährige Kinder, die an der Adresse mit ihm gemeinsam wohnten.
  • Der Beschuldigte war unbewaffnet.
  • Ein Beamter des SEK schoss einmal mit einer seiner Pistolen und traf den Beschuldigten. Der Verletzte starb, nach Rettungsversuchen.
  • Die Frau war während des Geschehens in der Wohnung. Laut Staatsanwaltschaft wurde sie nicht Augenzeugin des Schusses. Die Kinder des Paares sollen nicht dort gewesen sein.
  • Der Staatsanwaltschaft zufolge erklärte der Schütze des tödlichen Schusses, er habe sich angegriffen gesehen. Er sei überrascht gewesen, als ein weiterer Polizist einen Knall und Lichtblitz auslöste, mit dem der 43-Jährige abgelenkt werden sollte. Der dem Beamte habe den Blitz wahrgenommen und eine Druckwelle gespürt. Er habe geglaubt, der Beschuldigte habe auf ihn geschossen. Ein Behördensprecher sagte: "Nach dem Ergebnis der intensiv geführten Ermittlungen ist diese Einlassung nicht zu widerlegen."
  • Weiter laut Staatsanwaltschaft sagte allerdings der Polizist, der den Knall auslöste, dass seine Aktion abgesprochen war. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft kommentierte: "In diesem Punkt widersprechen sich die Schilderungen. Das mag Anlass geben, zu prüfen, ob der Einsatz ideal verlaufen ist. Wir als Staatsanwaltschaft haben nur zu bewerten, ob strafrechtlich ein Vorwurf zu machen ist."

Was wir zu Hintergrund und Ermittlungen wissen

  • Die Ermittlungen zum tödlichen Schuss führte die Kriminalpolizei in Essen, um die Neutralität zu wahren.
  • Die Staatsanwaltschaft Wuppertal führte die Ermittlungen vom 9. bis zum 23. Februar 2018 ausdrücklich als allgemeines Verfahren - als sogenanntes Vorverfahren, bei dem kein Verdacht auf eine Straftat vorliege.
  • Bei der Mitteilung am 23. Februar war der Staatsanwaltschaft die Identität des beschuldigten Beamten nicht bekannt. Nur seine Dienstnummer habe vorgelegen. Aus Informationen zu den Umständen ergebe sich, dass es sich um einen Mann handelte.
  • Der Getötete war zumindest in der Vergangenheit zeitweise Präsident der Wuppertaler Abteilung der Straßengang Osmanen Germania.
  • Die Osmanen Germania treten teils mit Westen voller Abzeichen auf, wie Rocker-Gruppen, allerdings ohne Motorrad-Bezug. Behörden bringen die Organisation allgemein mit Prostitution, Drogenhandel und schweren Gewalttaten in Verbindung. Andere Quellen verweisen auf türkisch-nationalistische Ausrichtung und mutmaßliche Kontakte zur türkischen Regierung oder zum türkischen Geheimdienst MIT. In Medien hat sich die Gruppe selbst als Box-Club dargestellt. Sie wolle jungen Menschen Halt geben.

Was wir noch nicht wissen

  • Unklar ist, welchen Verdacht die Ermittler gegen den Getöteten hatten. Die Staatsanwaltschaft nennt nur allgemein „szenetypische Straftaten“ und erläutert ihr Verständnis des Begriffes nicht. Sie verweist auf laufende Ermittlungen, die sie nicht gefährden wolle. Das beziehe sich auch auf mögliche weitere Beschuldigte in dem Verfahren.
  • Laut Berichten aus dem Umfeld hat der Mann unmittelbar vor dem Zugriff geduscht und war nur mit einem Handtuch bekleidet. Die Behörden haben das nicht kommentiert.
  • Zum genauen Bezug des 43-Jährigen zu den Osmanen Germania am Tag seines Todes berichten die Quellen widersprüchlich. Informationen aus seinem Umfeld zufolge hatte er die Gruppe „ein halbes Jahr“ vor dem Geschehen verlassen. Laut Staatsanwaltschaft ist fraglich, ob er noch aktiv war oder ausgestiegen. Denkbar sei, dass die Gruppe ihn hinauswarf.
  • Die Behörden geben nicht preis, was die Durchsuchung der Wohnung ergeben hat.

Niemand hat behauptet ...

..., dass sich der Getötete der Polizeimaßnahme widersetzt oder Beamte angegriffen habe.

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Osmanen Germania in Wuppertal


Wuppertal. Am nächtlichen Morgen des 13. Juni 2017 sammelten sich auf dem Platz der Republik in der Nordstadt von Wuppertal-Elberfeld mehr als 60 Bewaffnete mit Schlagwerkzeugen. Es handelte sich um Angehörige und Unterstützer der Straßengang Osmanen Germania aus ganz Nordrhein-Westfalen und teils aus angrenzenden Ländern. Vor den Wuppertaler Gerichten laufen Strafprozesse um die teils schweren Straftaten. Im Zeugenstand erscheinen ehemalige Akteure aus dem bergischen Land, dem Ruhrgebiet und Köln, die vor ihrem Eintritt bei den Osmanen teils der Kleinkriminellenszene zuzuordnen waren, teils Vorstellungen von Ansehen und Macht anhingen.
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Zuletzt geändert am 16. Februar 2019