Dirk Lotze - Journalist
Falsche Nase für den Fall: Angeklagter wird von Körperverletzung freigesprochen

Gerichtsinsel

16. April 2025: Falsche Nase für den Fall: Angeklagter wird von Körperverletzung freigesprochen

Der 31 Jahre alte Mann hatte Rechtsmittel gegen sein Urteil über eine Prügelattacke im Solinger Straßenverkehr eingelegt. In der Berufung bewies ein Experte für Wiedererkennung von Personen: Er konnte nicht der Täter gewesen sein.

In einem Prozess um gefährliche Körperverletzung bei einer Prügelattacke in Solingen-Gräfrath hatte ein 31 Jahre alter Angeklagter im Wortsinn die falsche Nase: Er kann unmöglich der Täter gewesen sein. Das stellte ein Experte für das Wiedererkennen von Personen in der Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Wuppertal fest. Für den Vergleich diente ein Zeugenfoto vom Täter. Der Angeklagte bekam einen glatten Freispruch. Zuvor hatte ihn das Amtsgericht Solingen - anhand von Zeugenaussagen - nicht rechtskräftig zu Bewährungsstrafe verurteilt.

Schuldspruch und Strafe sind jetzt vom Tisch. Der 31-Jährige ist verheiratet und hat als Sicherheitsmann gearbeitet. Im Februar 2024 sollte er auf der Ketzberger Straße zögerlich aus einer Einfahrt gefahren sein, Fahrtrichtung Central. Ein zweiter Autofahrer, der spätere Geschädigte, habe sich lautstark beschwert. Als der erste Fahrer wendete und Richtung Lützowstraße fahren wollte, sei die Situation eskaliert.

Bei einem gemeinsamen Halt soll es zum Prügelangriff gekommen sein. Daran hätten sich zwei Mitfahrende aus dem ersten Auto beteiligt. Zu Dritt hätten sie den allein dastehenden Gegner misshandelt.

Auf einem Zeugenfoto war das Gesicht des Haupttäters deutlich erkennbar. Anders als das Amtsgericht zog das Landgericht einen Fachmann für Wiedererkennungen hinzu: Er analysiert bundesweit mehr als 1200 Fälle pro Jahr, anhand von Blitzerfotos und Videos aus Sicherheitskameras.

Der Experte fotografierte im Gerichtssaal zum Vergleich den Angeklagten, aus gleichem Blickwinkel. Sein Fazit, nach einer kurzen Prüfung: „Die Nase ist echt anders.“ Der Nasenrücken sei beim Täterfoto länger, die Nasenflügel anders geformt. Bei den Ohren setzten sich die Unterschiede fort. Eine Ähnlichkeit sei vorhanden - aber nein, das seien zwei verschiedene Männer.

Damit war die Beweisaufnahme erledigt, bevor der erste Zeuge erneut aussagen musste. Den Freispruch beantragten die Staatsanwältin und der Rechtsanwalt des Angeklagten übereinstimmend. Der Letztere verdeutlichte im Plädoyer: Sein Mandant habe Glück gehabt, dass es Täterfoto gibt. Im Verfahren habe sich ein Polizeibeamter anhand von Unterlagen festgelegt, dass der 31-Jährige der Täter sein musste. Die Staatsanwaltschaft habe das übernommen.

Im Amtsgericht habe der Angeklagte zwei Verhandlungstagen samt Zeugenaussagen durchlaufen, obwohl er durch Unterlagen bekräftigt hatte: Er konnte unmöglich dort gewesen sein. Das Ergebnis war eine Verurteilung zu Bewährungsstrafe. Sie wäre im Führungszeugnis erschienen, hätte sie Bestand gehabt.

„Er hat Glück gehabt, dass es in Deutschland einen Instanzenzug gibt“, fasste der Anwalt zusammen. Durch die Berufung vor dem Landgericht sei ein falsches Urteil berichtigt worden.

Berufungsurteil des Landgerichts Wuppertal, 11. Strafkammer, vom 16. April 2025.
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Zuletzt geändert am 17. April 2025