Dirk Lotze - Journalist
Angeklagter (20) schweigt zu Mordvorwurf

Gerichtsinsel

2. Mai 2025: Angeklagter (20) schweigt zu Mordvorwurf

Der 20 Jahre alte Mann aus Herne soll einem Gegner (24) heimtückisch aufgelauert und mit einem spitzen Gegenstand erstochen haben. Neben ihm auf der Anklagebank im Landgericht Wuppertal sitzt ein ein Jahr älterer, mutmaßlicher Komplize. Zum Prozessauftakt mit vielen Angehörigen sicherte die Polizei das Verhandlungsgebäude ab. Der Verlauf der Sitzung: emotional und aufgewühlt.

Es soll Mord aus Rache gewesen sein, Strafe für eine frühere Verletzung: Ein 20 Jahre alter Angeklagter aus Herne habe in einer Julinacht 2024 einem Gegner in Wuppertal zusammen mit zwei Komplizen aufgelauert - und ihn systematisch erstochen. Der Tatort: Eine belebte Wohnanlage. Er und ein mutmaßlicher Mittäter (21) stehen vor dem Landgericht Wuppertal. Beide befinden sich in Untersuchungshaft. Als eine Angehörige des Getöteten dessen Foto auf einem Aktenblatt entdeckte, griff sie den Ordner, drückte ihn an ihre Brust, küsste das Bild und weinte dabei. Verwandten der Angeklagten machte sie laut Vorwürfe, bis eine Begleiterin sie tröstend in den Arm nahm.

Beide Seiten waren mit vielen Besucherinnen und Besuchern zum Prozess erschienen. Das Gericht hatte vorsorglich zur Sicherheit Polizei geordert. Sie hielt zusammen mit den Justizwachtmeistern die Gruppen im Gebäude auf Abstand. Die angeklagten Männer werden bis auf weiteres schweigen, erklärten ihre Anwälte dem vorsitzenden Richter. Das gelte, obwohl der Ältere früher bei der Polizei ausgesagt haben soll. Der dritte Mann ist auf der Flucht. Zu seinem Aufenthalt macht die Staatsanwaltschaft keine Angaben.

Als erste Zeugen sagten Polizisten vom Tatabend aus: "Es war hochemotional", sagte ein Beamtin, die dem Verletzten erste Hilfe geleistet hatte. Auf der Anfahrt zum Einsatz habe es geheißen: Körperverletzungdelikt, eine Auseinandersetzung zwischen vier Männern. Bei dem 24-Jährigen sei das T-Shirt ganz in Blut getränkt gewesen. Tiefe Schnitte an Hals und Gesicht deutete sie mit ihren Händen an: "Zweimal hat er noch geatmet, dann kam nichts mehr." Wie lange ihre Rettungsversuche gedauert hätten? "Gefühlt eine Ewigkeit", sagte die Frau. Dann sei der Rettungsdienst gekommen.

Weiter laut Zeugen waren über die gesamte Zeit Angehörige des Sterbenden vor Ort. Menschen hätten geweint, ein Mann habe sich das T-Shirt zerrissen. Der 24-Jährige starb in den frühen Morgenstunden in einer Klinik.

An die Stelle in der Wohnanlage soll sich der Schwerverletzte nach dem Angriff geschleppt haben. Der Tatort habe in der Nähe, an einer Straße gelegen. Von dort seien die drei Täter geflohen; laut Staatsanwaltschaft "als sie bereits erkannt hatten, dass ihr Opfer lebensgefährlich verletzt war."

Die Ermittlungen führten mehr als einen Monat später an die Adresse des älteren Angeklagten. Ein Zugriffstrupp der Polizei stürmte die Wohnung. Sichergestellt wurde das Handy des Mannes. Ein Beamter bestätigte, sie hätten nach Tatkleidung gesucht, womöglich mit Blutspuren: "Aber nach so langer Zeit war das nicht zu erwarten." Laut Gericht gibt es ein Gutachten zu Hautschuppenuntersuchungen. Damit können feinste Anhaftungen an Textilien anhand des genetischen Fingerabdrucks einzelnen Personen zugeordnet werden.

Bei laufender Sitzung in der angespannten Atmosphäre stand der Vater des Getöteten sichtlich aufgewühlt auf und protestierte gegen die Männer auf der Anklagebank, bis ihn der Vorsitzende ermahnte. "Wenn das schon so anfängt ...", fügte der Richter hinzu, ließ den Satz aber unvollendet.

Die Anwälte fragte er, wie die Verwandten mit Schweigerecht sich verhalten wollen: Ob sie aussagen wollen oder nicht. Es gehe um Fragen zum Hintergrund der Männer: "Wenn wir das vorher wissen, können wir ein sinnloses Schaulaufen hier vermeiden." Die Verteidiger stellten in Aussicht, das bis zum Fortsetzungstermin klären zu wollen.

Das Gericht hat zunächst acht Fortsetzungstermine bis Ende Juni 2025 vorgesehen.

Clanverfahren

Nach den Maßstäben in Nordrhein-Westfalen handelt es sich um ein Clan-Verfahren, weil Beteiligte entsprechende Familiennamen tragen.

Die Angeklagten sind Deutsche. Ob ein sogenannter Clan-Zusammenhang besteht, müssen die Zeugenaussagen ergeben.

Zuständig für den Prozess ist die große Jugendstrafkammer, weil die Angeklagten zur Tatzeit jünger als 21 Jahre waren.

Das Gericht muss die Geschehnisse unabhängig aufklären.

Prozessbeginn vor dem Landgericht Wuppertal, 3. Strafkammer, vom 2. Mai 2025.
Ich berichte vom Besuch des Termins.


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Zuletzt geändert am 08. Mai 2025