Dirk Lotze - Journalist
Großprozess um illegale Zigarettenfabrik beginnt mit Geständnissen

Gerichtsinsel

5. Mai 2025: Großprozess um illegale Zigarettenfabrik beginnt mit Geständnissen

Nach einer Razzia vom Oktober 2024 Velbert und Radevormwald, steht die Belegschaft aus zwei Betrieben wegen Steuerhinterziehung im Millionen-Euro-Bereich vor Gericht.Die internationale Bande im Hintergrund ist noch völlig unbekannt, sagt die Staatsanwaltschaft.

Die Razzien im Oktober 2024 hatten Produktionsstraßen für nachgeahmte Markenzigaretten ergeben, tonnenweise Tabak und einen Steuerschaden von geschätzt 4,9 Millionen Euro. Im zugehörigen Großprozess vor dem Landgericht Wuppertal legen damals festgenommene Angeklagte Geständnisse ab: Bauarbeiter und Handwerker ohne Wohnadressen in Deutschland, die die Maschinen bedient haben sollen. Ihr Alter: zwischen 32 und 66 Jahren. Was die Männer beschreiben, sind Bedingungen wie im Menschenhandel: Sie hätten Pässe und Handies abgeben müssen und in den Hallen geschlafen. Kontakt nach außen sei verboten gewesen. Anfangs hätte man ihnen gesagt, es würden Handwerker gesucht.

Die Annahme der Staatsanwaltschaft: Eine internationale Bande habe ein System zur illegalen Zigarettenproduktion entwickelt. Die Packungen seien bekannten Marken nachempfunden worden, die Steuerbanderolen hätten gefehlt. In einer Halle am Rand von Velbet hätten sie 17 Millionen Zigaretten herstellen lassen. In einem später dazu gekommenen Betrieb in Radevormwald sei es überwiegend um Tabak-Feinschnitt gegangen. Erste Hinweise aus ungenannter Quelle hatte der Zoll bereits, bevor die Produktion angelaufen sein soll. Es gibt Überwachungs-Videos, die Bilder zeigen teils Männer, die zu den Hinterleuten gehören sollen. Ihre Namen sind laut Staatsanwaltschaft weiter unbekannt.

Der Großprozess mit zunächst 19 Verhandlungstagen findet im Prozessgebäude der NRW-Justiz in Düsseldorf-Hamm statt: Einem Sicherheitsbunker mit Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach. Der Saal: Größer als eine Turnhalle. In fünf Reihen hintereinander sitzt die Belegschaft, die bei den Durchsuchungen der Fabriken in Velbert und Radevormwald festgenommen wurde: 19 Angeklagte, zur Sicherheit mit 38 Anwälten - falls später jemand ausfällt. Sie sind Bauarbeiter und Bauhelfer, gelernte Maler und Köche. Einer ist Flugzeugmechaniker. Angeworben wurden sie in Bulgarien, Rumänien und Moldau, einzelne in Deutschland und den Niederladen. Die Männer erhalten die Verhandlung über Kopfhöhrer in ihre Sprachen übersetzt: ins Bulgarische, Rumänische und Russische. Die Dolmetscher für sie sitzen in drei Kabinen in Sichtweite.

Für einen 39-Jährigen erklärt ein Anwalt: Man habe ihm gesagt, er könne 100 Euro am Tag verdienen. Seinen Pass habe man abfotografiert, angeblich für die Anmeldung. Das Handy: Man habe es ihm abgenommen und angekündigt, er werde ein Neues erhalten. Das stimmte aber nicht.

Weiter laut Anwalt habe der Mann aus den Umständen geschlossen, dass etwas kriminelles ablief. Er habe aber dennoch weiter gemacht. Er habe auch nicht gewusst, wo er war. Die Erwartung einer Bezahlung sei trügersich gewesen: "Lohn hat er nicht bekommen", sagte der Anwalt.

Ein 42-Jährige ließ seinen Anwalt angeben: Er sei Ingenieur, aber in Bulgarien habe die Bezahlung nicht gereicht, um eine Familie zu ernähren. Seine Frau in Bulgarien sei arbeitslose Juristin. Deshalb habe er in Italien auf dem Bau gearbeitet. 3500 Euro habe man ihm versprochen, für Bauarbeiten. Er sei nach Amsterdam geflogen; Unbekannte hätten ihn und weitere Arbeiter mit einem Auto ins bergische Land gefahren.

Als er die Maschinen gesehen habe, habe er gefragt, ob es eine Gesundheitsgefähr gäbe. Die Bosse hätten das verneint. In der Halle sei es dunkel gewesen, die Türen seien abgeschlossen gewesen, beschrieb der Mann. Essen und Kleidung hätten Helfer gebracht. Er wolle aber nicht behaupten, Gefangener gewesen oder unter Zwang gestanden zu haben. Seine Taten täten ihm leid.

Das Gericht hat zunächst 18 Fortsetzungstermine vorgesehen.

Chronologie

Erste Hinweise lagen dem Zoll im April 2024 vor.

Die Zigarettenproduktion an der Mettmanner Straße soll im Mai begonnen haben.

Der zweite bekannte Standort in Radevormwald sei im Juli oder August dazugekommen.

Viele der Schritte liefen unter Observation durch Ermittlungsbeamte ab.

Am 23. Oktober 2024 erfolgte die überörtliche Razzia mit mehr als 300 Beamtinnen und Beamten.

Prozessbeginn vor dem Landgericht Wuppertal, 6. Strafkammer, am 5. Mai 2025 im Prozessgebäude der NRW-Justiz am Kapellweg in Düsseldorf.
Ich berichte vom Besuch des Termins.


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Zuletzt geändert am 08. Mai 2025