Dirk Lotze - Journalist
Illegale Zigarettenfabriken: Hauptangeklagte beschreiben sich als Handlanger

Gerichtsinsel

20. Mai 2025: Illegale Zigarettenfabriken: Hauptangeklagte beschreiben sich als Handlanger

Im Großprozess um 17 Millionen illegal in Velbert-Mitte produzierte Zigaretten sieht die Staatsanwaltschaft die drei verbliebenen Angeklagten als "Manager" des kriminellen Betriebs. Die Männer geben an, sie hätten nur Befehle ausgeführt.

Der illegale Betrieb am Rand des Velberter Zentrums hatte einen Großeinsatz von Zoll und Polizei ausgelöst: Auf einem unauffälligen Gewerbegrundstück seien mehr als 17 Millionen Zigaretten unversteuert hergestellt worden, für den europäischen Schwarzmarkt. Im Großprozess gegen die festgenommene Belegschaft der Halle geben die am meisten belasteten, verbliebenen drei Angeklagten an: Die Herstellung vor Ort sei in getrennten Gruppen organisiert gewesen; sie hätten kaum Einblick gehabt. Einer von ihnen gab den Richterinnen und Richtern an, er habe Lebensmittel und Baumaterial besorgt: "Ich war so eine Art Mädchen für alles."

Gegen 16 Mitangeklagte gibt es ein erstes Urteil über Bewährungsstrafen (siehe Kasten). Die drei verbliebenen Männer im Alter von 36, 42 und 51 Jahren sieht die Staatsanwaltschaft als Hauptbelastete: "Manager", die für ein unbekanntes Netzwerk von international agierenden Hinterleuten gearbeitet hätten. Die unter ihnen befindlichen "Arbeiter" hätten ab Mai 2024 bis zur Razzia im Oktober Zigarettenmaschinen zu bedienen gehabt und die Hallen nicht verlassen dürfen.

Während die Arbeiter sporadisch Minilöhne erhalten hätten, hätten die Drei Anteile bis zu 5000 Euro pro Monat kassiert. Sie hätten sich frei bewegen dürfen. Es soll Überwachungsvideos geben, die diese Männer an Treffpunkten im bergischen Land zeigen, mit unbekannten Personen an Lastern voller Ware oder bei Geldübergaben.

Alle drei Männer haben bestätigt, dass sie am längsten von allen in Velbert und an einem zweiten Standort in Radevormwald waren: Im April und Mai 2024 hätten sie die Hallen erstmals gesehen. Da hätten noch keine Maschinen vor Ort gestanden. Die seien von einem eigenständigen Team aus der Ukraine aufgebaut worden, das dann wieder verschwunden sei. Die Arbeiter seien später erschienen. Sie seien von der Hintergrund-Organisation alle paar Wochen ausgetauscht worden. Ein Grund für diesen aufwändigen Wechsel wurde nicht öffentlich genannt.

Ein 42 Jahre alter Mann soll am längsten Kontakt zu Hinterleuten gehabt haben. Er gab den Richtern an: Alle Anweisungen habe er über ein altes Smartphone bekommen, das ihm gegeben wurde. "Die Personen am anderen Ende kannte ich nicht." Während laut bereits verurteilten Mitangeklagten Bedingungen wie im Menschenhandel herrschten, sagte der 42-Jährige aus: "Ich habe niemanden eingesperrt. Aus meiner Sicht konnte jeder gehen, wohin er wollte."

Der 51-Jährige beschrieb als Ältester der Drei: Er habe Material in Baumärkten gekauft und einen Container als Unterkunft für die Arbeiter ausgebaut. Mit Bezug zu seinen Angehörigen in Albanien sagte der Mann: "Ich habe meine Familie im Stich gelassen." Er sei geschockt gewesen, vom Umfang der kriminellen Produktion.

Zu seinen Aufgaben habe gehört, über den Tabakumsatz und über Einkäufe Buch zu führen, fügte dieser Mann hinzu. Er nannte Decknamen von Mitangeklagten und von weiteren Personen aus dem Umfeld der Fabrik.

Der Jüngste der Hauptangeklagten (36) sagte aus, er sei anfangs von einer legalen Arbeitsmöglichkeit ausgegangen, als Staplerfahrer und in der Logistik. Als er sein Handy abgeben musste und die Hallen gesehen hatte, sei ihm klar geworden, dass es um etwas verbotenes ging. Auch er beschrieb eine Vertrauensposition in der Organisation: Er habe sich frei bewegt und - unter Begleitung - einen Sattelzug zu einem Übergabepunkt gefahren.

Die Notizen des 51-Jährigen liegen dem Gericht in zwei Rechenheften vor. Sie sollen aus der kyrillischen Schrift übertragen und analysiert werden. Dazu kommen Zeugenaussagen von Ermittlern und Überwachungsvideos. Das Gericht hat Fortsetzungstermine bis Ende Juli 2025 vorgesehen.

Großverfahren

In dem Prozess hatte die Staatsanwaltschaft alle 19 Beschuldigte angeklagt, die vor Ort in den beiden bekannten Betrieben in Velbert und Radevormwald festgenommen wurden.

Von den ursprünglichen Angeklagten wurden zwölf in einem ersten Urteil als Gehilfen von Tabaksteuer-Hinterziehung eingestuft. Vier Männer seien nach rechtlichen Maßstäben Hersteller der Ware gewesen und hätten sie versteuern müssen. Diese insgesamt 16 Angeklagten erhielten Bewährungsstrafen und dürfen zu ihren Familien in Bulgarien, Rumänien und Moldau zurückkehren.

Gegen die drei am meisten belasteten Angeklagten verhandelt die Große Strafkammer des Landgerichts Wuppertal weiter.

Weitere Durchsuchungen und Festnahmen

Einen Tag nach dem Sitzungstermin, am 21. Mai 2025, durchsuchten Polizei und weitere Behörden Objekte in Wuppertal, Schwelm, Dortmund und Düsseldorf. Ein 45 Jahre alter Mann wurde als Beschuldigter festgenommen. Er soll sich an Errichtung und Betrieb der beiden Tabakfabriken in Velbert und Radevormwald beteiligt haben.

Verhandlung des Landgerichts Wuppertal, 6. Strafkammer, vom 20. Mai 2025.
Ich berichte vom Besuch des Termins und einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft Wuppertal.


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Zuletzt geändert am 22. Mai 2025