20. Oktober 2025: Tarnname "Pokémon": Angeklagter gesteht Kokainhandel – Vorwurf betrifft über 120 Kilogramm
Der Angeklagte bestätigte, aus dem Ausland heraus die Geschäfte in Solingen vermittelt zu haben. Es ging um Lieferungen im Wert von 2,7 Millionen Euro. Alle Nachrichten liefen über verschlüsselte Handy-Chats. Ein Komplize hatte ihn in einem früheren Prozess verraten – danach wurde der Mann in Kroatien festgenommen.
Könnte man den Hintergrund nicht kennen, wäre es ein geradezu bescheidener Auftritt: Der 25-Jährige trägt sportliche Alltagskleidung, lässt sich ruhig von den Gerichtswachtmeistern aus der Untersuchungshaft in den Sitzungssaal führen. Mit einer herzlichen Umarmung begrüßt er seinen Anwalt, dann setzt er sich gerade auf die Angeklagtenbank. Über Jahre wurde er mit Hochdruck von der Polizei gesucht – war aber den Ermittlern nur unter seinem Tarnnamen bekannt: Pokémon.
Zum Prozessbeginn am Landgericht Wuppertal gestand der Mann, aus dem Ausland heraus Kokain-Geschäfte in Solingen im großen Stil vermittelt zu haben. Seine Komplizen seien Landsleute aus Albanien gewesen, die er aus seiner Heimat kannte und die im Stadtteil Ohligs lebten. Der offizielle Vorwurf umfasst mutmaßlich 120 Kilogramm Kokain im Wert von 2,7 Millionen Euro. Zwei weitere Täter sind bereits rechtskräftig abgeurteilt, zu neun Jahren beziehungsweise acht Jahren und sechs Monaten. Einer von ihnen soll den 25-Jährigen enttarnt haben. Der internationale Haftbefehl griff Ende 2024. Im März 2025 wurde er aus Kroatien ausgeliefert.
Der offizielle Vorwurf erfasst sechs einzelne Geschäfte aus den Jahren 2022 und 2023, von denen der Mann vier bestätigte. Dabei sei es im ersten Fall um einen Testkauf von einem Kilo Kokain in Belgien gegangen, der ihm nur 200 Euro Provision eingebracht habe. In drei Fällen habe es verbindliche Geschäfte gegeben, allerdings sei durch die Umstände kein Kokain in Umlauf gelangt. In einem dieser drei Fälle soll es nach Angaben aus einem früheren Prozess um einen Testkauf einer italienischen kriminellen Organisation gegangen sein.
Voraussichtlich nicht nachweisbar sind laut Gericht zwei Absprachen, die den Kokainimport aus Kolumbien und Bolivien betrifft. Sie bleiben im weiteren Prozess außen vor, weil sie die Strafe nicht wesentlich erhöhen würden. Das Gericht hat sich auf ein mögliches Urteil von mindestens sechs Jahren und drei Monaten und höchstens sechs Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe festgelegt - wenn sich das Geständnis erhärtet. Nach der Rechtsprechung in Deutschland läge eine Strafe in diesem Rahmen für diese Menge Kokain im üblichen Bereich.
Der Mann gibt an, Abitur zu haben und vor den Taten als Bauarbeiter und in der Gastronomie gearbeitet zu haben. Er sei ledig und sorge für seine Eltern, von denen der Vater erkrankt sei.
Unabhängig von der Zusage des Gerichts hat die Staatsanwaltschaft erklärt: Im Fall einer Verurteilung wird der Mann die Hälfte der Strafe in Deutschland absitzen und dann nach Albanien abgeschoben. Dort soll ihn weitere Strafverfolgung erwarten.
Das Gericht wird als Nächstes Ermittlungsbeamte als Zeugen hören. In der kommenden Woche wollen die Richterinnen und Richter das Urteil verkünden.
Prozessbeginn vor dem Landgericht Wuppertal, 2. Große Strafkammer, vom 20. Oktober 2025.
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