Dirk Lotze - Journalist
Pech gehabt, wer Hilfe vom Wuppertaler Stadtrat braucht

Stadt Wuppertal bewirbt sich um die Bundesgartenschau 2031 / Meinung

Pech gehabt, wer Hilfe vom Wuppertaler Stadtrat braucht

index.jpg: 1024x576, 229k (20. Februar 2022)
Nicht diese Bundesgartenschau: Banner der Bürgerinitiative nahe dem geplanten Ausstellungsgelände auf der Königshöhe.

Von Dirk Lotze

Es gibt Leute, die sind in den Stadtrat gewählt und solche, die sind das nicht. Das Verhältnis zwischen diesen Gruppen ist gespannt, weil die einen ausbaden müssen, was die anderen entscheiden. In Wuppertal betrifft das den Beschluss des Rats, die Stadt für das Zehn-Jahres-Projekt Bundesgartenschau 2031 anzumelden. Und es betrifft den Entschluss von Bürgerinnen und Bürgern, die eine "Buga" in dieser Form nicht hinnehmen wollen.

Die Verantwortlichen des Bürgerbegehrens "Buga-so-nicht" haben laut eigener Angaben weit mehr als 10.000 Unterschriften für ihr Anliegen gesammelt. Wissen wird man die Zahl, wenn die Listen überprüft sind. Im Hinblick auf die Coronavirus-Pandemie hätte die Initiative sechs Wochen mehr Zeit für ihr Anliegen bekommen können, als die drei Monate, die sie hatte. Die Möglichkeit dazu sah eine Landesverordnung vor. Zu entscheiden darüber hatte der Rat. Und der lehnte das ab.

"Arroganz der Macht" ist leicht hingeschrieben; was dahinter steckt, macht fassungslos. Die Landesvorschrift sagt: Der Rat kann die Frist für das Bürgerbegehren verlängern, wenn die persönliche Unterschriftensammlung durch bestimmte Umstände nicht zumutbar ist. Das "kann" kam bei Stadtverordneten der Fraktionen SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP in Wuppertal an als: "dann braucht man nicht".

Infostand-Aktion in der Spitze der vierten Coronavirus-Welle

Das ist ein gewagter Schluss. In Haan und Mönchengladbach sah man das in vergleichbaren Situationen anders. Zu reden ist über eine Unterschriftensammlung in der Spitze der vierten Coronavirus-Welle bis Mitte Februar 2022, von Tür zu Tür und an Infoständen, während die sogenannte Wochen-Inzidenz für die gefährliche Infektion in Wuppertal weit über 1500 lag. Während die Stadtverordneten nur mit angelegter Atemschutzmaske an ihrer Ratssitzung teilnehmen konnten und sich jeder Redebeitrag im Plenum anhörte, als hielten sich die Beteiligten einen Teppich vor den Mund. Da kann es für eine Helfergruppe eines Bürgerbegehrens nichts anderes als unzumutbar sein, von mehr als 10.000 Bürgerinnen und Bürgern im persönlichen Gegenüber Unterschriften zu sammeln und eine nochmals größere Zahl von Personen anzusprechen. Zum Teil erleichterten sie sich die Aktion, indem sie die gefüllten Listen über eigens hergestellte Briefkasten-Taschen aus LKW-Plane sammelten, die an Gartenpforten und Haustüren hingen. Eine Fristverlängerung um sechs Wochen zu genehmigen, wenn man es rechtlich "kann", ist unter diesen Umständen das Mindeste. Es hätte dazu gedient, das Gesundheitsrisiko zu mildern und die Unterschriftensammlung wenigstens etwas zumutbarer zu machen.

Von all dem konnte sich die Mehrheit im Stadtrat nicht überzeugen. Es ist die Mehrheit der Gewählten, die von ihrem Entschluss für die Buga überzeugt und gegen das Bürgerbegehren eingenommen ist. Von dieser war es nur der SPD-Fraktionsvorsitzende Klaus Jürgen Reese, der als ersten Punkt am frisch desinfizierten Rednerpult auf Umstände der Unterschriftensammlung einging und erklärte, er könne die Probleme nicht erkennen. Alle anderen Gegner stellten gleich mit ihren ersten Sätzen klar, dass ihnen das Bürgerbegehren nicht passte. Statt "Buga-so-nicht" wäre "Buga nein" ein bisschen "ehrlicher", sagte der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Ludger Kineke; Rainer Widmann (Bündnis 90/Die Grünen) stimmte ein. Immer noch in der Luft liegt eine frühere Äußerung in Wuppertal, wonach ein Ratsbeschluss die Bürgerinnen und Bürger am besten beteilige: Weil alle gefragt waren, als Wahl war.

Kritik an "Betroffenheitsegoismus"

Zusätzlich kritisierten die Redebeiträge im Rat, die Initiative für das Bürgerbegehren habe Sportvereine um Unterstützung angeschrieben und dabei "falsche Informationen" verbreitet, nämlich dass womöglich Geld für die Buga aus anderen Bereichen abgezogen werden müsse. Zu hören war, die Kritikerinnen und Kritiker der Bundesgartenschau sollten sich besser mit Vorschlägen in die Bürgerbeteiligung für das Projekt einbringen. Reese sagte: Es gehe nur um ein Anliegen des "Betroffenheitsegoismus".

Selbst wenn es so wäre: Eigene Interessen darf man vertreten; Außenstehende werden das kaum übernehmen. Sich über solche Punkte hinweg zu setzen, verlangt eine Grundlage und eine Abwägung. Im Streit wird Richtiges ebenso angeführt wie Falsches, von allen Seiten. Die Frage: "Wenn nicht so, wie dann?", braucht die Initiative nicht zu beantworten. Und nein: Es reicht nicht, dass deren Aufruf "in den Medien präsent" war. Unterschriften werden nicht über Internet und Radio gesammelt.

Aufforderung zur Meinungsbildung

Das Bürgerbegehren fordert zur Meinungsbildung auf: Bürgerinnen und Bürger dürfen verlangen, selbst zu entscheiden. Eine Hürde dafür - wie die Pandemiebedingungen - trotz Möglichkeit nicht zu mildern, bedeutet, was Gerd-Peter Zielezinski (Fraktionsvorsitz Die Linke) formulierte: Man will das lästige Bürgerbegehren, "so schnell wie möglich von der Backe haben". Egal, mit welchem Argument.

Das Ratsverhalten ist beschrieben worden als ein Signal an die Befürwortenden einer Bundesgartenschau. Dabei ist es viel mehr eine bittere Bestätigung für alle: Wer in einer formalen Frage auf die Vertretenden der Gegenposition angewiesen ist, weiß in Wuppertal, was er bekommt - Steine nämlich, statt Brot. Für manche Stadtverordnete sind womöglich die Kritisierenden einer Buga genug beteiligt, wenn sie im Sommer 2031 eine Eintrittskarte kaufen dürfen.

Foto: Lotze


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Zuletzt geändert am 20. Februar 2022