Dirk Lotze - Journalist
Steuerprozess: Scheinfirmen sollen 36 Millionen Euro hinterzogen haben

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Steuerprozess: Scheinfirmen sollen 36 Millionen Euro hinterzogen haben

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Der Prozess soll im Justizzentrum Wuppertal verhandelt werden. (Foto: Dirk Lotze)


Eine Gruppe Angeschuldigter aus Wuppertal, Erkrath, Monheim und Moers sollen mit Scheinfirmen im Baugewerbe Schaden an Steuern und Sozialabgaben in Höhe von mehr als 36 Millionen Euro verschuldet haben. Am 9. Januar 2019 lehnte das Landgericht Wuppertal die Anklage der Staatsanwaltschaft ab und hob die Haftbefehle gegen sechs Personen auf

Die Chronologie

Gegründet auf Mitteilungen des Landgerichts und der Staatsanwaltschaft Wuppertal, der zuständigen Sonderkommission beim Hauptzollamt Krefeld und der Generalzolldirektion:

  • Im Jahr 2016 stellte das Hauptzollamt Krefeld wegen mutmaßlichen Sozialbetrugs in der Bauindustrie die Ermittlungskommission "EK Moses" zusammen.
  • Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Wuppertal erließ das Amtsgericht Wuppertal am 24. Januar 2018 Haftbefehle gegen sechs Beschuldigte im Alter von damals 31 bis 72 Jahren: fünf Männer und eine Frau. Anhand dieser Haftbefehle nahmen Spezialkräfte des Zolls die Personen am 30. Januar 2018 fest. Bei der selben Aktion erfolgte die Festnahme zweier weiterer Beschuldigter, gegen die ebenfalls Haftbefehl bestanden habe.
    An der massiven Durchsuchungs- und Festnahmeaktion vom 30. Januar 2018 nahmen laut Behörden 1.120 Einsatzkräfte teil. Betroffen seien 140 Wohnungen und Geschäftsadressen gewesen, in Bedburg, Bochum, Dortmund, Duisburg, Düsseldorf, Erkrath, Essen, Frechen, Gelsenkirchen, Gladbeck, Hennef, Kempen, Kerpen, Köln, Leverkusen, Lüdenscheid, Lünen, Moers, Monheim, Mönchengladbach, Mülheim / Ruhr, Oberhausen, Pulheim, Recklinghausen, Rheinberg, Selm, Siegburg, St. Augustin, Wesel, Witten und Wuppertal. Vermögenswerte im Millionen-Euro-Bereich und Waffen seien sichergestellt worden. Der Direktionspräsident der Generalzolldirektion habe die Ermittlungen als "bisher größten Schlag gegen die Schwarzarbeit in Nordrhein-Westfalen, der den Ermittlern des Zolls gelungen ist", gewertet. Die Beschuldigten hätten mit mindestens 14 Service-Firmen Scheinrechnungen für mehr als 450 Unternehmen in der Bauindustrie des Landes gefertigt. Diese hätten so Schwarzgeld gewonnen und damit unangemeldete Arbeiten bezahlt.
    Zoll-Zugriff in NRW ... - Pressemitteilung vom 30. Januar 2018
  • Einer der Angeschuldigten wurde am 20. März 2018 von der Untersuchungshaft verschont, wobei der Haftbefehl aufrecht erhalten blieb. Die beiden anderweitig Festgenommenen waren laut Staatsanwaltschaft weniger belastet. Auch sie seien aus der Haft frei gekommen. Sie müssten sich in einem eigenen Verfahren verantworten.
  • Die Untersuchungshaft musste das Oberlandesgericht Düsseldorf regelmäßig überprüfen. Die gesetzlichen Termine dafür lagen jeweils Ende Juli 2018, Oktober 2018 und Januar 2019.
    Untersuchungshaft darf, solange noch kein Urteil ergangen ist, nur ausnahmsweise länger als sechs Monate dauern. Es muss ein wichtiger Grund vorliegen, schreibt das Gesetz vor. Dabei steigt die Hürde mit der Dauer der Haft. Die Fristen ruhen, wenn das zuständige Gericht die Hauptverhandlung beginnt.
  • Mit Anklageschrift vom 12. November 2018 warf die Staatsanwaltschaft Wuppertal sechs Personen in unterschiedlicher Beteiligung Steuerhinterziehung, Beihilfe zur Steuerhinterziehung, zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt sowie zum Betrug vor. Von diesem Zeitpunkt an waren sie Angeschuldigte in ihrem Verfahren. Das Landgericht erhielt 76 Seiten Anklageschrift, die 7.600 Seiten umfassende Hauptakte und mehr als 30 Umzugskartons voller Ordner mit Beweis-Unterlagen.
  • Der Staatsanwaltschaft zufolge prüfte das Oberlandesgericht die Haftbefehle der sechs Angeschuldigten in Kenntnis der Anklageschrift. Der zuständige Senat habe den dringenden Tatverdacht ebenso bestätigt wie die Haftgründe.
  • In den folgenden Wochen wies der dafür zuständige vorsitzende Richter der 6. Strafkammer die Staatsanwaltschaft darauf hin, dass weitere Ermittlungen nötig seien: Die Schadenshöhe sei zu pauschal geschätzt. Sie sei nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genauer zu prüfen und Ermittlungsansätze lägen auch vor.
  • Laut Landgericht lehnte die Staatsanwaltschaft weitere Ermittlungen ab.
  • Am 9. Januar 2018 lehnte die 6. Strafkammer des Landgerichts die Eröffnung des Hauptverfahrens ab. Das Landgericht habe einzelne, ergänzende Beweiserhebungen anzuordnen, nicht jedoch wesentliche Teile des Ermittlungsverfahrens nachzuholen. (Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt ... - Mitteilung (PDF) des Landgerichts Wuppertal vom 10. Januar 2019)
  • Am selben Tag hob das Gericht die Haftbefehle gegen sechs Angeschuldigte auf. Die fünf Personen, die noch nicht von der Untersuchungshaft verschont gewesen waren, wurden entlassen.
  • Die Staatsanwaltschaft legte Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Anklage und gegen die Aufhebung der Haftbefehle ein.
  • Am 3. Juni 2019 hob der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf den Nicht-Eröffnungsbeschluss des Landgerichts Wuppertal auf. Zugleich geht das Verfahren über das Landgericht zurück an die Staatsanwaltschaft Wuppertal: Diese müsse umfangreich und mit ungewissem Ausgang zusätzlich ermitteln. Die sechs Beschuldigten im Wuppertaler Verfahren blieben auf freiem Fuß.
  • Mit Stand vom Dezember 2021 dauern die Ermittlungen des Zolls an, informierte die Staatsanwaltschaft Wuppertal auf Anfrage.

Erstmalig veröffentlicht: 11. Januar 2019; zuletzt aktualisiert: 9. Dezember 2021.
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Die Ermittlungen dauern an. Zu den einzelnen Punkten des Geschehens können sich später zusätzliche oder abweichende Informationen ergeben, die ich ergänzen werde.''

Zuletzt geändert am 07. Januar 2022