Dirk Lotze - Journalist
Er baut mit Spenderhilfe eine Freilichtbühne in Wuppertal

Er baut mit Spenderhilfe
eine Freilichtbühne in Wuppertal

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Jonathan Ries (32) stellt eine historische Begegnungsstätte im Wuppertaler Norden wieder her.

Wuppertal. Das Theater mitten im Wald ist schon wieder erkennbar. Wo einst das Dickicht jeden Durchgang versperrte; sind Terrassen freigelegt; eine erste Reihe Sitzsteine für künftige Zuschauer ist platziert. Die Bühne ist zwar noch nicht wieder befestigt, aber schon freigeräumt – durch die Hilfe von Freiwilligen und Spendern. „Man kann anhand dieser Freilichtbühne verdeutlichen, was geldloses Wirtschaften ist“, sagt Künstler Jonathan Ries, Bauleiter des Projekts.

Ries ist Sportwissenschaftler und Darstellungskünstler. Am Stadtrand von Wuppertal, fast schon in Velbert-Neviges, bringt er mit Spitzhacke und Schaufel zum Abschluss, was Sozial-Visionäre vor mehr als 80 Jahren begannen: die Wuppertaler Freilichtbühne. „Es waren Anhänger von Silvio Gesell, dem Begründer der Freiwirtschaftslehre, die hier einen alten Steinbruch als Bühne ausbauten“, erläutert der 32-Jährige.

Ein Treffpunkt für die Jugendbewegung des bergischen Landes

Tagungszentrum
Visionär Der 1862 geborene Silvio Gesell war Kaufmann, Finanztheoretiker und Sozialreformer. Er erforschte Möglichkeiten der Humanisierung der Wirtschaftsordnung, die er in seiner Freiwirtschaftslehre beschrieb.
Lage Das Silvio Gesell gewidmete Tagungszentrum befindet sich am Wuppertaler Schanzenweg, nahe der Kleinen Höhe bei Velbert Neviges.

Zur ersten Einweihung 1932 kamen 2000 Besucher: Der als Verein organisierte Freiwirtschaftliche Jugendverband hatte einen Versammlungsort für junge Leute geschaffen, die als Teile der damaligen Jugendbewegung durchs bergische Land zogen und ihre Ideen von einem neuen Zusammenleben vertraten. Die Waldbühne nutzten sie für Musik und Tanz, aber auch für politisches Theater. Ries: „Man zeltete auf der Ebene, die Bühne lag in der Mitte und Wasser holten sich die Leute aus einem Brunnen.“

Sogar das inmitten von Feldern gelegene Wäldchen aus Kirschen, Eschen, Hainbuchen und Eichen, das die Bühne fast überwuchert hätte, geht auf die Arbeit von Freiwilligen zurück: In den 1930er Jahren spendete ein Gönner 1000 Baumsetzlinge und 500 Sträucher.

Zuletzt lag das Gelände gut 50 Jahre lag brach. In den 1950er Jahren habe es noch Einnahmen abgeworfen, mit denen das bis heute bestehende Silvio-Gesell-Tagungszentrum errichtet wurde, sagt Ries. Im Archiv des Tagungszentrums lasse sich immer noch nachlesen, welche Ideen zu Wirtschaft, Technik und Natur an diesem Ort zusammengeflossen seien.

„Das Freilichttheater hat sich 80 Jahre lang entwickelt. Wenn es fertig ist, feiern wir ein großes Fest“, kündet der 32-Jährige an. Er wolle freie Musiker und Künstler auf die Bühne holen, außerdem Theaterstücke zeigen: „Das ist meine eigentliche Arbeit. Beim Bauen bin ich Laie.“

Arbeit findet internationale Unterstützung

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Quader aus Muschelkalk dienen als Sitzsteine und zur Befestigung der Zuschauer-Terrassen.

Dass es dennoch vorwärts geht, liege an den vielen Unterstützern, sagt Ries. Architekten gäben Tipps, ein Brunnenbauingenieur habe Teile der Entwässerung gespendet. Dazu komme die Initiative für natürliche Wirtschaftsordnung mit Standorten in Deutschland und der Schweiz, die Zeitschrift Humane Wirtschaft und die Betreiberfamilie des genannten Tagungszentrums um Geschäftsführer Andreas Bangemann.

Die erste Sitzreihe aus Muschelkalkblöcken für das Zuschauerrund hat eine Gönnerin aus München finanziert, fügt Ries hinzu. Oberhalb der Bühne liegen weitere der tonnenschweren Quader bereit, die sich nur mit Schwermaschinen bewegen lassen: Jeder kann spenden und so den weiteren Ausbau fördern.

Eigentlich sei er auf Wanderschaft gewesen, als er vor zwei Jahren eingeladen wurde, am Tagungszentrum aufzutreten, sagt Jonathan Ries. Jetzt sei er erst mal „stationär“, erklärt der Künstler: „Wir haben innerhalb von zwei Tagen entschieden, das Projekt anzugehen. Dabei finde ich es gar nicht so wichtig, dass ich das hier mache. Es ist viel wichtiger, dass es überhaupt gemacht wird. Dieser Ort hat mich umgehauen.“

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Die untereste Ebene der Terrassen ist bereits wieder befestigt.

Chronologie

1927 gründete sich der Freiwirtschaftliche Jugendverband Deutschland als Verein. Er ist bis heute Eigentümer des Grundstücks an der Silvio-Gesell-Tagesstätte

1932 Erste Einweihung der Freilichtbühne. Fotodokumente zeigen, dass die Zuschauer-Terrassen damals mit Gras bewachsen waren.

Krieg und nationalsozialistische Gewaltherrschaft unterbrachen die Nutzung des Grundstücks.

1950er Jahre Die Bühne wird erneut genutzt. Die Helfer legen wenige Meter entfernt den Grundstein für das heutige Tagungshaus, das damals "Silvio-Gesell-Heim" hieß und ähnlich einer Jugendherberge genutzt wurde.

1980er Jahre Die damaligen Betreiber des Hauses veröffentlichen Forschungsarbeiten zur Biotechnik in einer eigenen Zeitschrift.

14. Juni 2014. Text und Fotos: Dirk Lotze


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Zuletzt geändert am 16. Juni 2014